DER NARR (Begleittext und Hintergrund meiner Abschlussarbeit)
Genie und Wahnsinn – Die Fähigkeiten des Menschen sind unendlich. Geniale Erfindungen, Innovationen - angetrieben durch den Entdeckergeist und das Aufbegehren gegen den Stillstand sind die Triebfedern, die den Menschen zum Fortschritt verhelfen. Diese Antriebskraft wird nicht nur im positiven Sinn verwendet, sondern geben andererseits auch die Abgründe des Menschen preis, indes er alle Anstrengung darauf verwendet, sich selbst/ sich gegenseitig zu zerstören. Die Gegensätzlichkeit lässt (für mich) den Narren erscheinen, welcher dem Unbegreiflichen zu einem Statement verhilft. Er steht dort, wie eine Landmarkierung, die in den Boden gerammt wurde, eine Statue, die der Situation noch mehr Ausdruck verleiht, eine erobernde Standarte und zugleich zu einem mahnenden Stolperstein, zu einem Zeitgenossen mit erhobenem Zeigefinger. Der Narr bzw. der Narrenstab wird folglich zur Leitfigur meiner Arbeit.
Darüber hinaus bediene ich mich des Stilmittels Spiel. In kleinen Ausschnitten stelle ich Begebenheiten des inneren und äußeren Lebens dar, sei es die Zerstörungskraft des Menschen, der Machtanspruch, festgefahrene Systeme, innere Zwiespälte, Lethargie und nicht zuletzt der Dialog zwischen Strategie und Schicksal. Manchmal scheint die ganze Welt in einem Narrenkostüm zu stecken. Die Trennung zwischen innerer und äußerer Welt hebt sich dabei wechselseitig auf. Das, was sich im Außen manifestiert, mag seinen Ursprung im Innern haben. Und im Umkehrschluss, alles was in unserem Inneren existiert, wird im Außen widergespiegelt. Letztlich haben wir als Mensch Einfluss auf die Gestaltung unserer Welt und unseres Miteinanders.
Der Narr als historische Figur hat seinen Ursprung an den Höfen. Er war Berater des Herrschers und ausschließlich ihm war es gestattet, ungestraft Kritik zu äußern. Mit dieser „Narrenfreiheit“ war er einen feste Institution. Seine zusätzliche Aufgabe, an die Vergänglichkeit des Ruhmes und des Reichtums zu erinnern, entstammte aus Zeiten des Römischen Reiches und verfolgte somit den philosophischen Ansatz des Memento Mori.
Im späteren geschichtlichen Verlauf wurde der Narr mehr und mehr zum Unterhalter und Spaßmacher mit Schelle und Marotte. In seiner Rolle verhält sich der Narr unkonventionell und ist nicht an Normen gebunden. Im Mittelalter fällt er daher aus der Ständestruktur und wird zur tragischen Figur. Im Gegensatz zum Menschen, der als Ebenbild Gottes galt, fiel der Narr aus dieser Einordnung. Eigenschaften wie Ignoranz, Gottesferne, Geistesblindheit und Trägheit waren die Attribute, die man dem Narren nachsagte.
Die Marotte – der Narrenstab, den der Narr mit sich trug, fungierte als das Spiegelbild des Narren. Insgesamt hielt der Narr mit seinem närrischen Treiben anderen einen Spiegel vor und offenbarte somit die Narrheit des menschlichen Seins. Der Spiegel gilt als Symbol der (Selbst-)Erkenntnis.
Es stellt sich die Frage, welche Bedeutung der Narr in heutiger Zeit hat. Belustigt er uns? Hält er uns den Spiegel vor? Steht er uns gesonnen zur Seite, oder verächtlich? Hebt er überlegen und mahnend den Zeigefinger? Oder ist er Opfer unseres Handelns? Die Bedeutung des Narrens ist je nach Situation sehr individuell und hier ist der Betrachter eingeladen, dies für sich selbst herauszufinden.